Vom Paradiesbaum zum Christbaumschmuck

Wattefiguren mit Chromos, 1890-1920

Der große Kulturschatz, den die Gemeinde Schnaittach durch die Sammlung des Heimatmuseums bewahrt, zeigt Geschichte nicht nur in großen Ereignissen, Namen oder herausragenden Objekten, sondern vor allem im gelebten Alltag der Menschen. Gerade die Geschichte der „kleinen“ Leute und ihre Alltagskultur verdient besondere Wertschätzung. Diese wird besonders in der umfangreichen Sammlung von Christbaumschmuck deutlich. Nun stellt sich die berechtigte Frage: Warum verfügt das Schnaittacher Museum über eine so große Christbaumschmucksammlung, die sogar Stücke enthält, die in einem Standardwerk zur frühen Christbaumschmuckforschung abgebildet sind (Eva Stille, Christbaumschmuck, 1979)?

Christbaumschmuck wurde in Schnaittach weder hergestellt noch vertrieben. Charakteristisch für das Heimatmuseum ist, dass es aus ehemaligen privaten Sammlungen erwachsen ist, die einen bedeutenden Teil der Bestände ausmachen. So speist sich auch Schnaittachs große Christbaumschmucksammlung aus mehreren großen Schenkungen. Den Grundstock bilden zwei Privatsammlungen: eine von Georg Unger (1859–1942), Bierbrauer und Bürgermeister von 1906 bis 1909, und die andere von Johann Wölfel, Inhaber des „Gasthaus zur Linde“, später „Schiffers Gasthaus“ in Kersbach. Beide wurden ab Anfang der 1940er Jahre unter Gottfried Stammler aufgenommen. In den 1980er und 1990er Jahren kamen weitere Posten an Weihnachtsschmuck hinzu.

Die Bandbreite des Schmucks ist vielfältig: Objekte aus Watte, Papier und Pappe, Draht- und Lamettaschmuck, Zinn, Glasperlen und Glas, Holz und Spänen. Sie stammen aus Lauscha, Gablonz, dem Erzgebirge, Berchtesgaden, Nürnberg oder sind in kreativer Heimarbeit hergestellt; sogar eine Krippe von Playmobil kann die Sammlung Schnaittach ihr Eigen nennen. Ein Teil dieser sehenswerten Stücke ist in der Dauerausstellung zu sehen. Der Christbaumschmuck entwickelte im Laufe der Zeit immer wieder neue Vorlieben und Formen, wie Lamettabürsten mit Chromolithographien, Watteschmuck, etwa als Wanduhr oder Schneeflockenfee, oder Kartonobjekte, die mit venezianischem Tau überzogen sind. Dies sind winzige Glasperlen, die auf glatten Oberflächen funkeln. 

Doch warum schmückt man sich an Weihnachten einen Baum? Der Ursprung liegt im sogenannten „Paradiesspiel“ oder „Adam-und-Eva-Spiel“, das am 24. Dezember, dem Gedenktag der Stammeltern, aufgeführt wurde. Dieses Paradiesspiel gehörte zu den mittelalterlichen Mysterienspielen, die biblische Geschichten lebendig darstellten und an kirchlichen Festtagen auf öffentlichen Plätzen oder in Kirchen gezeigt wurden. Am 24. Dezember wurde dabei ein immergrüner Baum – meist Tanne oder Buchs – mit Äpfeln geschmückt, die an den Sündenfall erinnerten. Dieser „Paradiesbaum“ wurde im 18. und 19. Jahrhundert zum Mittelpunkt des häuslichen Weihnachtsfestes.

© Dr. Nicole Brandmüller-Pfeil

Alter Christbaumschmuck fotografiert von O. KohlmannTrommel mit venezianischem Tau, um 1900Lamettabürste mit Chromo, um 1910Krippe aus Spänen, 1970-80

Geeiste Reflektorkugel, um 1960

drucken nach oben